15. Februar 2011

The Young Gods – Ein Gespräch mit Sänger Franz Treichler

Ein Hybride, in dem der Faktor Zufall mitspielt

Das neue Album der Young Gods ist nicht nur ein Meisterwerk geworden, weil in ihm die vielfältigen Erfahrungen ihrer 25-jährigen Karriere organisch zusammengeflossen sind. Geprägt wurde «Everybody Knows» auch von Experimenten der vier Westschweizer, in denen sie das Eigenleben der Musik mit menschlicher und technischer Unberechenbarkeit stimulierten. TheTitle hat sich mit Sänger Franz Treichler über diesen grandiosen Wurf unterhalten.

Von Markus Ganz
Vom Trio zum Quartett – The Young Gods: Al Comet, Vincent Hänni, Franz Treichler, Bernard Trontin (von links). Foto: © Two Gentlemen

Der Sound der Young Gods hat sich seit der Gründung im Jahr 1985 stets gewandelt und ist in seiner Intensität doch unverwechselbar geblieben. Auf Everybody Knows ist nun vom Industrial Rock ihrer Anfänge über ihren Ambient-Sound und den psychedelischen Rock ihres Woodstock-Projekts bis zum Unplugged-Album Knock On Wood alles zusammengeflossen. Entstanden ist ein überraschend organisch wirkendes Werk, auf dem die frühere Wucht zwar immer wieder aufflackert, aber nie forciert wirkt.

«Das neue Album ist ein Hybride aus Akustisch und Elektrisch, aus dem Unplugged-Projekt Knock On Wood und dem alten Sound der Band», erklärt Franz Treichler im Gespräch. Allerdings sei dies nicht geplant gewesen, sondern habe sich einfach so ergeben. «Wir haben viel gelernt bei Knock On Wood. Mich persönlich hat es dazu gebracht, andere Wege des Singens auszuprobieren, weil es keine Wall of Sound mehr gab, gegen die ich anbrüllen musste», erläutert der Sänger mit seiner erstaunlich sanften Sprechstimme. Tatsächlich hat sein Gesang mehr Raum erhalten, und er weiss diesen zu nutzen, um neue Facetten seiner Stimme einzubringen. Sie wirkt nun oft zärtlich, was diesem Album eine erstaunliche Sinnlichkeit verleiht.

Die Freiheit nutzen

Die Entstehung des neuen Album wurde auch durch das Woodstock-Projekt geprägt, das ihnen die Freiheit gelehrt habe, möglichst viel auszuprobieren. Möglich wurde dies, weil das Trio nach der Fertigstellung des Albums Super Ready / Fragmenté noch einige Zeit bis zur Tournee frei hatte. Die wollte man nutzen, um einige neue Song-Ideen sogleich festzuhalten. Und so geschah es, dass die ersten Studiosessions für Everybody Knows bereits 2007 stattfanden. «Im Studio gab es Unmengen von Gitarren und Perkussion, aber auch exotische Instrumente wie eine Sitar. Da wir keinen Zeitdruck hatten, konnten wir damit frei experimentieren. Die Devise war, sich in keiner Weise zu beschränken – das geschah tatsächlich im Woodstock-Spirit.» Danach ging man auf Tournee und widmete sich dem Projekt Knock On Wood, so dass erst 2009 am neuen Album weitergearbeitet wurde.

Die Young Gods spielten nun über Fragmente der alten Aufnahmen, die teilweise über den Sampler in die Jam-Sessions eingespeist wurden. Wichtige Impulse kamen auch vom neuen Mitglied Vincent Hänni, der in einigen Passagen von Everybody Knows mit einer im Geist von Jimi Hendrix gespielten Rockgitarre auffällt – bisher kam dieses Instrument bei den Young Gods fast immer aus dem Sampler. Das neue Bandmitglied spielte auch Bass und kreierte am Computer neuartige Sounds. Wegen ihm musste auch die Arbeitsweise der Band angepasst werden, die bisher auf dem grossen Spielraum der Trio-Formation beruhte. «Vincent hat tatsächlich das Gleichgewicht der Band verändert», bestätigt Franz Treichler. «Vorher waren die Young Gods ein Dreieck – nun gibt es mehr Ecken und Kanten, mehr Untergruppen und Wechselbeziehungen. Er hat der Band zu mehr Vielfalt verholfen und diese Platte wesentlich geprägt.»

Puzzlespiel und Zufall

Der spezielle Entstehungsprozess führte zu sehr viel musikalischem Basismaterial. «Es war tatsächlich eine Herausforderung und der abstrakte Teil unserer Arbeit, diese Aufnahmen zu reduzieren und in Form zu bringe», bestätigt Treichler. «Es war wie ein Puzzle. Und eine Entscheidung erforderte jeweils wieder eine Veränderung an einem anderen Ort. Wir nahmen beispielsweise ein Gitarren-Solo von Vincent aus dem Stück Once Again und setzten es am Ende von Miles Away ein, was überraschend gut passte.» Umso mehr überrascht, wie organisch das Album wirkt. «Seit unseren Ambient-Alben ist es unsere Absicht, mit möglichst wenigen Loops zu arbeiten, um mehr Subtilität zu ermöglichen. Zudem setzen wir vermehrt auf Klangstrukturen, die sich zufällig ändern, das verleiht der Musik etwas Organisches und ein Element der Überraschung.»

Anregende Unberechenbarkeit

Noch stärker mit solchen Überraschungsmomenten konfrontiert war die Band bei einem Live-Projekt mit dem Jazz-Trio Koch-Schütz-Studer. «Es war eine der speziellsten Erfahrungen in meiner Musikkarriere», erinnert sich Treichler. «Eineinhalb Stunden freie Improvisation war für uns sehr gewagt, denn sonst spielen wir immer in einem bekannten Rahmen.» Er sieht in der Improvisation zudem einen grossen Unterschied zu technischen Live-Manipulationsmethoden mit dem Faktor Zufall, wie sie Vincent Hänni und ihr Produzent Roli Mosimann einsetzen. «Wenn Menschen improvisieren, ist immer ein emotionaler Faktor im Spiel, der – ich meine damit nicht Koch-Schütz-Studer – zu Übertreibung verführt: buhuhuu!» (er imitiert dramatischen Gesang). Mit Maschinen sei dies anders, da diese innerhalb gewisser Regeln frei wirkten. «Dies ist eher ein Ansatz im Sinn von John Cage: Man sperrt die Musiker bei gewissen Entscheidungen aus, damit die Musik anhand einiger Parameter selbst ihren Weg finden kann. Und das liebe ich sehr.»

Franz Treichler ist in Fahrt geraten. «Die Musik erhält so ein eigenes Leben. Und man kann damit verhindern, dass die Musiker etwas überbetonen. Wenn man mehr Interaktion will, kann man ja immer noch Gefühle hineinbringen.» Fordert der mit technischen Methoden ins Spiel gebrachte Zufall also den Musiker heraus und zwingt ihn dazu, zu reagieren? «Ja, natürlich, nur schafft man eine solche Provokation auch mit dem menschlichen Faktor beim Improvisieren. Dort verführt sie allerdings manchmal zu übertriebener Intensität, was dann deplaziert wirkt (lacht). Wir versuchen, von solcher Intensität wegzukommen – und Maschinen können dabei helfen.»

Eine gewisse Unberechenbarkeit zeichnet auch die Konzerte von The Young Gods aus, wo ihre einzigartige Intensität erst richtig zur Geltung kommt. Nur dort konnte man bisher auch einige der wenig bekannten Seiten ihrer Vielseitigkeit erleben. Drei Live-Mitschnitte, die einzeln als CD/DVD-Kombination und zusammen in einer 3er-Box verkauft werden, lassen dies nun zumindest erahnen. Super Ready / Fragmenté zeigt The Young Gods an einem Konzert in der Roten Fabrik Zürich (2007) mit ihrem typischen Sound. Griots And Gods dokumentiert hingegen einen Auftritt der Band mit der amerikanischen Hip-Hop-Gruppe Dälek am Festival Les Eurockéennes in Belfort (2007). Und auf The Young Gods with The Lausanne Sinfonietta ist ein Konzert mit einem kleinen Orchester am Montreux Jazz Festival (2005) zu sehen und zu hören.

#-#IMG2#-##-#SMALL#-#The Young Gods: Everybody Knows. (Two Gentlemen).

 

Die Lieblingsalben der Young Gods (2007) »

The Young Gods Official Website »#-#SMALL#-#

» empfehlen:
das projekt hilfe/kontakt werbung datenschutz/agb impressum