29. Juni 2013

Metropolitan Museum New York: «Punk: Chaos to Couture»

The Beauty and the Beast

Die Ausstellung «Punk: Chaos to Couture» im New Yorker Metropolitan Museum of Art zeigt auf, wie es dazu kam, dass sich der Punk plötzlich auf den Laufstegen der edlen Modehäuser wiederfand.

von Rudolf Amstutz
Ausstellungsraum «D.I.Y.: Destroy». Bild: © The Metropolitan Museum of Art

Von Mick Jones von The Clash stammt der berühmte Ausspruch, dass Punk in seiner reinen Form gerade mal einhundert Tage existiert habe. Jones, der mit seiner Band zu den Aushängeschildern der Punk-Bewegung gehörte, realisierte, dass wenn eine Bewegung einmal von der breiten Öffentlichkeit erkannt und aufgenommen wird, sie zum Sterben verurteilt ist. Angesichts dieser Tatsache erstaunt es, dass im Vorfeld der Ausstellung «Punk: Chaos to Couture» entrüstete Stimmen laut wurden, die den Tod des Punk voraussagten, sollte er tatsächlich in altehrwürdigen musealen Mauern ausgestellt werden.
Nun geht es in der aktuellen Ausstellung der Kostümabteilung von The Met gar nicht um Punk als Bewegung oder als musikalisch relevante Revolution, sondern lediglich um seinen Einfluss auf die Welt der Haute Couture. Aber es kann davon ausgegangen werden, dass Chefkurator Andrew Bolton dieses Missverständnis bewusst in Kauf genommen hat. Schliesslich ist jede Polemik auch der Vermarktung dienlich.
Das Ende des Punk begann, noch bevor er eigentlich existierte. Als Malcolm McLaren, der gemeinsam mit der Modedesignerin Vivienne Westwood an der King’s Road in London eine Boutique betrieb, in New York den Untergrund-Club CBGB aufsuchte und dort den Ur-Punkern The Ramones und Richard Hell begegnete, war es um den Punk geschehen. Die zerlöcherten, viel zu engen Jeans, die zerrissenen, selbst bemalten T-Shirts, die ganze «Leckt mich»-Haltung, die sich in der rudimentären Musik widerspiegelte: all dies nahm McLaren mit zurück nach London. Als Manager der zusammengeschusterten Sex Pistols und mit obszönen Kleiderentwürfen seiner Partnerin Westwood, wurde der Punk für die Öffentlichkeit aus der Taufe gehoben, obwohl es sich in Tat und Wahrheit bereits um den Beginn seiner Beerdigung handelte.
Die legendäre Toilette des CBGB und die Boutique von Westwood und Mclaren stehen als nachgebaute Faksimile am Anfang der New Yorker Punk-Ausstellung und stehen sinnbildlich für deren Titel: «Chaos to Couture». Das kreative Chaos der New Yorker Geburtsstätte als Kontrapunkt zu jenem Ort, in dem die Kommerzialisierung ihren Anfang nahm.
Die Sex Pistols erblickten 1976 das Licht der Welt und nur ein Jahr später schickte die Designerin Zandra Rhodes ihre Models in schwarzen mit Sicherheitsnadeln zusammengehaltenen Gewändern auf den Laufsteg. Das Ganze nannte sie «Conceptual Chic» und war bereits Lichtjahre von den selbstgebastelten oder in Secondhand-Shops gekauften und anschliessend massakrierten Klamotten der Ur-Punks entfernt. In fünf thematisch gegliederten Räumen und anhand von rund hundert Kostümen zeigt «Punk: Chaos to Couture» die langsame aber stete Übernahme der Punk-Elemente durch die edlen Modehäuser.
Auf überlebensgrossen Videoprojektionen dominieren die Protagonisten vergangener Tage wie Richard Hell, Johnny Rotten oder Sid Vicious die Räume, als ob sie sich noch einmal gegen die Übernahme ihrer Schöpfung durch die High Society wehren möchten und aus den Lautsprechern sind The Ramones oder Suicide zu hören. Dieses bewusste Spiel mit den Kontrasten sorgt dafür, dass den Designs von Dolce & Gabbana, Karl Lagerfeld (Chanel), John Galliano (Dior) oder Comme des Garçons nicht die Absolution erteilt wird. Die schamlose Kopie von Punk anhand edler und unbezahlbarer Materialien mag in der Mehrzahl sein, doch es gibt auch gelungene Weiterführungen. So sind von Viktor & Rolf oder Alexander McQueen pompöse Ballkleider zu sehen, die auch am Hof in Versailles gute Figur gemacht hätten. Mit dem Unterschied, dass die hier gezeigten Kleider aus Abfallmaterialien bestehen. Und dies macht «Punk: Chaos to Couture» letztlich spannend: kreative Köpfe der Modewelt, die sich der Philosophie des Punk angenommen haben, stehen jenen gegenüber, die sich plakativ gewisser Elemente einer Subkultur bedient haben. Zusammengehalten werden diese «Kontrahenten» durch die Ambivalenz von Vivienne Westwood, deren Werk sich in der Mitte der beiden Pole bewegt und den Verdacht bewusster Kalkulation nicht abschütteln kann.
Richard Hell hat einmal gesagt, beim Punk ginge es nur um eines: um Aufrichtigkeit. Andrew Bolton hat den Satz unübersehbar in seiner Ausstellung angebracht. Damit outet sich der Kurator auch als kritischer Kommentator. Zudem hält er eisern an Mick Jones’ Statement fest: «Punk: Chaos to Couture» dauert genau 100 Tage. Keinen Tag länger.

#-#IMG2#-##-#SMALL#-#Punk: Chaos to Couture. The Metropolitan Museum of Art, New York. Bis 14. August.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen mit Essays von Andrew Bolton, Richard Hell, John Lydon (Johnny Rotten) und Jon Savage.
Museum Webseite »

Video: Ausstellungsrundgang »

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