17. Dezember 2014

«Black Messiah» oder das eindrückliche Comeback von D’Angelo

Auferstehung

© Greg Harris

Und plötzlich war es einfach da, dieses dritte, über Jahre angekündigte und immer wieder fallengelassene dritte Album. Keine Werbung, keine Ankündigung, nichts. 14 Jahre 11 Monate und zehn Tage hat D’Angelo all jene warten lassen, die sich noch an ihn erinnern können. «Voodoo» hiess im Januar 2000 sein zweites Album und es war damals eine Erleuchtung. Genau dort, wo uns Prince im Regen hatte stehen lassen, setzte er an, um Jazz, Funk, Soul und Hip-Hop an ihre gegenseitige Verwandtschaft zu erinnern. Der Stammbaum der schwarzen amerikanischen Musik war sein Spielplatz und er bastelte mit den vorhandenen Materialien wundersame Kunstwerke, die er dann live dermassen virtuos miteinander verflocht, dass Augen- und Ohrenzeugen seiner Auftritte überzeugt waren, der Geburt eines neuen Genies beizuwohnen. Eher introvertiert und schüchtern abseits des Rampenlichts wurde Michael Eugene Archer alias D’Angelo auf der Bühne zum Funkpriester, zum Groovemaster, zum musikalischen Erlöser, der der Welt eine gloriose Zukunft versprach.

Doch so schillernd er gekommen war, so still machte er sich wieder aus dem Staub. An einer Listening Session für das Album «The Tipping Point» von The Roots in den legendären «Electric Ladyland»-Studios in New York, sass er teilnahmslos in einem Sessel. Er schien damals dem Geiste von Jimi Hendrix näher als seinem Jugendfreund, Bruder im Geiste und engsten Vetrauten, dem Roots-Drummer Ahmir «Questlove» Thompson. Das war 2004 und D’Angelo probte seinen prunklosen Abgang, bevor er überhaupt richtig geboren worden war. Selbstzweifel und Depressionen trieben ihn in den Alkohol und in die Drogen, derweil Questlove über die Jahre als Sprecher fungierte, von einem fulminanten Comeback erzählte und von neuer Musik, die nicht von dieser Welt sei.

Nun steht sie vor einen, diese überirdische Ankündigung von einst. Eigentlich geplant für nächstes Frühjahr inklusive massiver Werbetrommel seitens der Plattenfirma. Doch die Realität im schwarzen Amerika von heute liess D’Angelo keine Ruhe. Dass das Album nun «Black Messiah» heisst, könnte man ihm als Überheblichkeit vorwerfen, wüsste man nichts von seiner geplagten Seele. Doch – wie er in einem Statement zum Album schreibt – sei damit nicht ein Einzelner gemeint, sondern jeder Einzelne: «Es geht um jene Menschen, die sich in Ferguson erheben, in Ägypten, bei Occupy Wall Street und an allen anderen Orten, wo eine Gemeinschaft genug hat und beschliesst, die Dinge zu verändern.»

Die zwölf neuen Songs sind der kongeniale Soundtrack zur Dringlichkeit dieser Absichtserklärung. «Black Messiah» ist ein grosses, ja übermächtiges Black Music Album. Zu Musik gewordener Widerstand – dunkel, komplex und doch von strahlender Schönheit. Der sozialen Illusionslosigkeit hält D’Angelo rochelnde Bässe und rumpelnde Drums entgegen. Irgendwo erklingt eine Sitar, ein gehässiges Gitarrenriff paart sich mit den schweren Schlägen einer Kirchenglocke, bevor sich urplötzlich die Sonne hinter den Gewitterwolken meldet: spanische Gitarren, romantische Pianotupfer oder eine swingende Jazzband treten hervor, um anschliessend wieder einzutauchen in die gewaltlose Rebellion ihres Meisters, der sich inmitten dieser Klangskulptur als Sly Stone, Prince, Marvin Gaye oder Robert Johnson verkleidet tummelt. «Black Messiah» ist ein Album wie ein schwarzes Loch, in dem sich die Summe aller afroamerikanischen Stile verschmelzt hat, um sich neu zu formieren. Ein Album, das mit jedem weiteren Hören wächst. Bis es sich den Hörer vollständig einverleibt hat. Auf immer und ewig.

Rudolf Amstutz

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D'Angelo and The Vanguard. Black Messiah. RCA/Sony

D' Angelo «Ain't That Easy» (Audio) »

D' Angelo «1000 Deaths» (Audio) »

D' Angelo «Betray My Heart» (Audio) »

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