20. Dezember 2014

«Killer Heels» im Brooklyn Museum

Wider die physikalischen Gesetze

Die totale künstlerische Freiheit beginnt beim menschlichen Fuss: Dies beweist eindrücklich die Ausstellung «Killer Heels: The Art of the High-Heeled Shoe» im Brooklyn Museum.

von Rudolf Amstutz
Zaha Hadid X United Nude. «NOVA», 2013. Courtesy of United Nude. Foto: Jay Zukerkorn.

Kurz nach der Durchquerung der mehr als grosszügig angelegten Eingangshalle des Brooklyn Museums (es ist immerhin nach dem Metropolitan das zweitgrösste Museum New Yorks), wird der Besucher bereits akustisch auf das Kommende eingestimmt. Von allen Seiten erklingt der unverkennbare Ton von hochhackigen Schuhen über Lautsprecher, bevor man überhaupt eines der über 160 gezeigten Objekte der Ausstellung «Killer Heels: The Art of the High-Heeled Shoe» zu Gesicht bekommt. Das ist natürlich mehr als bloss ein akustischer Gag, weckt doch der High Heel individuelle Assoziationen, die kaum vielfältiger und gegensätzlicher sein könnten. Die einen verbinden ihn mit Eleganz, andere sehen in ihm nur ordinäres und geschmackloses Fusswerk. Kein anderes Kleidungsstück ist dermassen sexuell aufgeladen und vermittelt zu gleichen Teilen Dominanz und Unterdrückung. Und schliesslich ist es das einzige Kleidungsstück, dass zuerst gehört werden will, bevor es sich dem Betrachter zeigt.

Was sich allerdings in der Folge dem Publikum präsentiert, ist weitaus mehr als eine oberflächliche Betrachtung über den erhöhten Schuh. Die mit viel Liebe und Sorgfalt von der Kuratorin Lisa Small zusammengestellte Schau sprengt in ihrer Vielfalt und Fülle alle im Vorfeld angedachten Möglichkeiten. Der Rundgang durch die in sechs thematische Schwerpunkte gegliederte und durch sechs Künstlervideo-Auftragsarbeiten ergänzte Ausstellung macht klar, mit welch grenzenloser Fantasie die Menschheit immer wieder versucht, die physikalischen Gesetze ausser Kraft zu setzen. Dabei ist jenes von Manolo Blahnik kreierte Modell, das Carrie Bradshaw in «Sex and the City» in einem Masse begehrte, dass sie ihr letztes Geld für diese physische Schmerzen verursachenden Stilettos ausgab, eines der gewöhnlichsten der gezeigten Objekte. Extravaganter sind schon die von Alexander McQueen für Lady Gaga entworfenen und sich nach allen Seiten abkrümmenden Plateau-Stiefel names «Armadillo». Sie sind in der Sektion «Metamorphosis» zu bewundern, ebenso wie «Nude» von Zaha Nahid: eine Schuhskulptur, die aussieht, als könne man in Zukunft mit dem Guggenheim-Museum an den Füssen spazieren gehen.

Dafür hatte in Europa eigentlich alles relativ profan begonnen, trugen im Mittelalter doch hauptsächlich Männer hohe Absätze. Dies vor allem, um den Füssen den Schmutz und Schlamm der aufgeweichten Pfade zu ersparen. Um 1600 herum – und dies zeigt sich im Kapitel «Revival und Reinterpretation» – unternahmen in der Blütezeit Venedigs die Frauen auf sogenannten «Chopines» den Versuch zu gehen. Wie diese waren auch die Schuhe aus Fernost («Rising In The East») eher Plateau-erhöhte Pantoffeln, wobei in China die Zehen der Mädchen in einer schmerzhaften Prozedur zurückgebunden wurden, um den Fuss klein erscheinen zu lassen.

«High Heels» und körperliche Schmerzen sind seitdem untrennbar miteinander verbunden, ob dies nun frei- oder unfreiwillig geschieht. In «Glamour and Fetish», dem Kapitel, das sich mit dem sexuellen Potenzial des Stilettos befasst, ist ein von Christian Louboutin entworfener Ballerina-Schuh zu sehen, der mit einem messerscharfen Absatz in der «en pointe»-Position gehalten wird und nicht nur weiblichen Betrachtern, bei der Vorstellung diese zu tragen, das nackte Schaudern auslöst. Es spricht für die Ausstellung, dass sie auf einige furchterregende Artefakte mit dem nötigen Humor reagiert. So stolpert gegenüber Louboutins masochistischem Tanzschuh Jack Lemmon als Frau verkleidet durch Billy Wilders «Some Like It Hot». Ausserdem wird die Schau mit Kunstwerken aus den Beständen des Museums in einen bildnerisch-künstlerischen Kontext gestellt. Die von Künstlern gestalteten Videos wiederum hinterfragen oder unterwandern die geschlechtliche Rolle von High Heels in unserer Gesellschaft. So sieht man in Steven Kleins Kurzfilm ein sich auf einer Motorhaube räkelndes Model, das mit ihren «Killer Heels» unentwegt den roten Lack des Sportwagens zerkratzt.

Dass sich selbst Architekten wie der renommierte Rem Kolhaas nicht der Faszination der hohen Absätze entziehen können, wird in «Architecture» gezeigt. Seine «Möbius»-Slipper sind so raffiniert wie irritierend und stehen im krassen Gegensatz zu Jean-Paul Gaultiers «Eiffel Tower Pump», mit denen man – der Name sagt es – auf umgekehrten Eiffeltürmen balancieren kann.

«Killer Heels» ist alles andere als bloss eine Ansammlung von unzähligen Variationen des immer selben Objekts. Hier wird auf spannende und lehrreiche Art und Weise eine Geschichte erzählt, die im Reich des Kaisers von China beginnt und unter dem Motto «Space Walk» mit von 3D-Druckern hergestellten Karbon-Heels des Avantgarde-Künstlerkollektivs threeASFOUR endet. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es nicht nur zerbrechliche, geistreiche, gefährliche, furchteinflössende und witzige Schuhe der erhöhten Art zu sehen, sondern in der Summe des Gebotenen wird auch der Drang des Menschen sichtbar, der unentwegt und mit allen Mitteln versucht, dem Himmel ein klein bisschen näher zu sein…

 

#-#IMG2#-##-#SMALL#-#«Killer Heels: The Art of the High-Heeled Shoe», Brooklyn Museum, New York. Bis 15. Februar 2015.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der auch auf Deutsch erhältlich ist:

Lisa Small (Hrsg.), «Killer Heels». Gebunden. 224 Seiten. Mit zahlreichen Abbildungen und Essays. Prestel Verlag. CHF 53,90

Leseprobe Katalog »

Killer Heels: The Art of the High-Heeled Shoe (Video) »

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