18. Juni 2014

Brasilien 2014: 25 Spieltage. 25 Kulturtipps.

Der Observator (7/25)

Begleitend zur WM präsentiert TheTitle zu jedem Spieltag einen brasilianischen Kulturtipp. Heute: «O Som ao Redor».

Irgendwann wird jeder von der Realität eingeholt: Szene aus «O Som ao Redor» von Kleber Mendonça Filho. Foto: CinemaScópio

Friedrich Dürrenmatt hatte einmal den Vergleich gewagt und die Schweiz als Gefängnis geschildert. Die Schweizer hätten dermassen Angst, dass etwas von Aussen eindringen könnte, dass sie sich in einer Art zu schützen versuchen, die sie nicht nur zu Wärtern machen würde, sondern gleichzeitig auch zu Gefangenen.

Dieser Gedanke kommt einem unweigerlich in den Sinn, wenn man «O Som ao Redor» sieht, den Erstlingsfilm des Brasilianers Kleber Mendonça Filho, der international mit dem Titel «Neighbouring Sounds» an zahlreichen Festivals für Furore sorgte. Geschildert wird der Alltag von Menschen in einer betuchten Wohnsiedlung in Recife, bestehend aus futuristischen Glaskästen, denen man Namen gegeben hat wie «Vivaldi», «Westminster» oder «Camille Claudel». Das Leben dort ist beschaulich und zeigt eine aufstrebende Mittelklasse, die sich mit dem Kauf von schicken Autos und teuren Fernsehern verlustiert, ihre Kinder in den Mandarin-Sprachkurs schickt oder einfach nur von hoch oben den nahen Ozean betrachtet. Probleme, so scheint es, bleiben draussen, auf der anderen Seite des hohen Zaunes, jenseits der Sicherheitsanlage, die den Rest Brasiliens vom beschaulichen Leben fernhält.

Auch innerhalb der Siedlung herrscht eine klare Hierarchie zwischen den Meistern und ihren Bedientesten. Haushaltangestellte, Kindermädchen gehen ein und aus und wenn sich der Türsteher einmal erlaubt, während der Arbeit einzunicken, dann führt dies gleich zu Protesten der betuchten Mieter, die wiederum auch nur einem Einzigen gehorchen: Francisco (gespielt von Waldemar Solha), denn ihm gehören die ganzen Prachtbauten, was ihn zum Obermeister macht.

Der in Luxus getränkte Alltag bekommt Risse, als plötzlich seltsame Dinge geschehen. Zu Beginn ist es nur ein demoliertes Auto, doch alsbald scheint die Bedrohung von aussen so gross zu werden, dass eine private Sicherheitsfirma angeheuert wird, um das Paradies zu schützen.

«O Som ao Redor» erzählt nicht im herkömmlichen Sinne eine Geschichte, sondern vermittelt eine Lebenshaltung, ein Gefühl, das von aussen bedroht wird. Man hört Sirenen, Schritte in der Nacht, Stimmengemurmel, man sieht die Menschen verschiedenster Couleur, deren sicheres Gefühl langsam von der Angst vertreiben wird. Kleber Mendonça Filho hat damit ein Werk geschaffen, das nicht nur die Probleme des sozialen Gefälles in Brasilien in starken Bildern und eindrücklichen Szenen schildert, sondern auch das Verhaltensmuster eines Menschen auf dem schmalen Grad zwischen Angst und Paranoia. Und dies trifft dann nicht nur auf die Brasilianer zu, sondern auf den Menschen überhaupt. Dürrenmatts Schweizer mit eingeschlossen…

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«O Som ao Redor». Brasilien 2013. Drehbuch und Regie: Kleber Mendonça Filho. Kamera: Pedro Sotero und Fabricio Tadeu. Musik: DJ Dolores.

Mit: Irandhir Santos (Clodoaldo), Gustavo Jahn (João), Meve Jinkings (Bia), W. J. Solha (Francisco), Irma Brown (Sofia), Lula Terra (Anco), Yuri Holanda (Dinho), Clébia Souza (Luciene).

«O Som ao Redor» – Webseite »

«O Som ao Redor» – Trailer »

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