20. Juni 2014

Brasilien 2014: 25 Spieltage. 25 Kulturtipps.

Architekt. Essayist. Philosoph. Brasilianer. (8/25)

Begleitend zur WM präsentiert TheTitle zu jedem Spieltag einen brasilianischen Kulturtipp. Heute: Oscar Niemeyer.

Unverkennbare Formsprache: das Museu de Arte Contemporânea de Niterói bei Rio de Janeiro. Foto: divulgação

Als Oscar Niemeyer 2012 starb, war er stolze 104 Jahre alt. Dieses hohe Alter hat ihn allerdings nicht davon abgehalten, kurz vor seinem Tod noch ein Manifest zu schreiben: «Wir müssen die Welt verändern», ein schmaler Band mit vielen Weisheiten, den man sich unbedingt zu Gemüte führen sollte.

Niemeyer ist wohl der bekannteste Architekt der letzten Jahrzehnte, ein visionärer Wegbereiter der Moderne, dessen Bauten noch heute Aufmerksamkeit erregen. Das berühmteste Bauwerk ist sicherlich das UNO-Hauptgebäude in New York, das er gemeinsam mit seinem Lehrer und Freund Le Corbusier konzipierte. Doch Unsterblichkeit errang der 1907 in Rio de Janeiro geborene Niemeyer als Städteplaner. Als Chef des staatlichen Bauamtes erhielt er 1956 den Auftrag die Retortenhauptstadt Brasília zu entwerfen, deren Grundriss er in Form eines Kreuzes definierte. Die Kathedrale der Stadt sowie das Regierungsgebäude gehören zu den auffälligsten und eindrücklichsten Werke des Architekten Neumeyer, der zu Lebzeiten weltweit über 600 Projekte verwirklichen konnte. Dank seiner kurvenreichen Formsprache scheinen Gebäude und umliegender Raum nie in Konkurrenz zueinander zu stehen. Dieser symbiotische Grundgedanke macht Niemeyer denn auch zu einem Geistesverwandten von Frank Lloyd Wright, dem Schöpfer des Guggenheim Museums in New York. 1967 wurde Brasília zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Nach seiner Arbeit an der Hauptstadt war Niemeyer kurzzeitig gezwungen ins französische Exil zu gehen. Als Mitglied der kommunistischen Partei war er den Militärs zu Zeiten der brasilianischen Diktatur ein Dorn im Auge. Erst Ende der 1960er Jahre kehrt er in sein geliebtes Rio de Janeiro zurück.  

Niemeyer war besessen von Architektur. Selbst als 100-Jähriger ging er noch täglich in sein Büro, um zu zeichnen. Für seinen Grabstein verfügte er folgende Inschrift: «Oscar Niemeyer, Brasilianer, Architekt. Er lebte unter Freunden und glaubte an die Zukunft.»

Und diese Zukunft hat er im Büchlein «Wir müssen die Welt verändern» noch einmal umrissen. «Die Architektur ist nur ein Vorwand. Wichtig ist das Leben, wichtig ist der Mensch, dieses merkwürdige Wesen mit Seele und Gefühl, das nach Gerechtigkeit und Schönheit hungert», schreibt er da unter anderem. Der Vorteil des Alters ist nicht nur die Weisheit, sondern auch die Abkehr von Geschwätzigkeit. Niemeyer  umreisst seine Philosophie in acht kurzen Kapiteln, in denen er die Menschen aufruft, permanent Neues zu wagen, in denen er über kreative Begegnungen mit anderen spricht und auch seine Freunde nicht unerwähnt lässt:  Fidel Castro, Le Corbusier oder Jean-Paul Sartre. Bei uns allen, so Niemeyers Fazit, liege die Verantwortung für eine bessere Welt.

#-#IMG2#-##-#SMALL#-#Oscar Niemeyer. Wir müssen die Welt verändern. Verlag Antje Kunstmann 2013. Gebunden. 93 Seiten. Herausgegeben von Alberto Riva. Übersetzt von Friederike Hausmann.

Oscar Niemeyer 101 – Kurzporträt »

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