15. Juni 2014

Brasilien 2014: 25 Spieltage. 25 Kulturtipps.

Avantgardist, Alltagschronist, Sozialkritiker (4/25)

Begleitend zur WM präsentiert TheTitle zu jedem Spieltag einen brasilianischen Kulturtipp. Heute: Luiz Ruffato.

von Rudolf Amstutz

Er nennt ihn einen Roman, doch «Es waren viele Pferde» ist mehr als das: Luiz Ruffato hat in 69 Szenen, Momentaufnahmen, Schnappschüssen ein Kaleidoskop eines babylonischen Monstrums erschaffen und bildet mit kurzen Szenen, manchmal nur einzelnen Worten, dann wieder Stakkatosätzen oder scheinbar hingeworfenem Gemurmel Glanz und Elend einer Stadt ab, die als Ganzes für die Pracht und das Elend einer ganzen Nation steht. «Es waren viele Pferde» ist ein atemloses Porträt von São Paulo und einer der innovativsten Romane der letzten Jahre.

Ruffato, 1961 in Cataguases Minas Gerais geboren, zog nach São Paulo um Journalist zu werden. Sein Gespür für die unerzählten Zwischenräume in der brasilianischen Gesellschaft haben ihn dann zum Romancier werden lassen. Neben «Es waren viele Pferde», für den er den begehrten Prêmio São Paulo der Associação Paulista de Críticos de Arte (APCA) ebenso erhielt wie den Machado-de-Assis-Preis der Fundação Biblioteca Nacional, liess Ruffato auch mit seinem fünfbändigen Zyklus «Vorläufige Hölle» aufhorchen. Darin erzählt er von Schicksalen fernab der Megacity und gibt letztlich jenen eine Stimme zurück, die in Brasilien nicht gehört werden.

Ruffatos Schreibstil orientiert sich an den Inhalten und nicht an herkömmlichen Regeln. Ohne Hang zur Romantik betreibt er Sozialkritik mit Hilfe von avantgardistischer Literatur und schafft es dadurch, das Geschriebene für den Leser fühlbar werden zu lassen.

Und natürlich ist Ruffato wie alle Brasilianer ein leidenschaftlicher Fussballfan. Als solcher waltete er auch als Herausgeber eines Buches über die schönste Nebensache der Welt: «Der schwarze Sohn Gottes – 16 Fussballgeschichten aus Brasilien». Empfehlenswert für jeden Europäer, lernt er in den Beiträgen namhafter brasilianischer Autorinnen und Autoren doch einen völlig neuen Blickwinkel kennen. Fussball ist in Brasilien mehr als ein Sport: er ist Kunstform, Anlass zur Debatte für die Intellektuellen und Lebensinhalt, Traum und Sehnsucht inmitten einer um sich greifenden Ohnmacht einer Bevölkerung, die vom Wirtschaftsboom ausgeschlossen bleibt.

Und dank des kleinen, aber feinen Verlags Assoziation A gibt es Luiz Ruffato auch in hervorragenden Übersetzungen auf Deutsch:

#-#SMALL#-#«Es waren viele Pferde». Assoziation A Verlag, Berlin 2012. Gebunden, 160 Seiten?
«Mama, es geht mir gut» («Vorläufige Hölle» Band 1). Assoziation A Verlag, Berlin 2013. Gebunden, 160 Seiten?
«Feindliche Welt» («Vorläufige Hölle» Band 2). Assoziation A Verlag, Berlin 2014. Gebunden, 224 Seiten?
«Der schwarze Sohn Gottes – 16 Fussballgeschichten aus Brasilien». Assoziation A Verlag, Berlin 2013. Gebunden, 184 Seiten

Leseprobe «Es waren viele Pferde» »
Leseprobe «Feindliche Welt» »

Begegnung mit Luiz Ruffato (Video 2004, engl. Untertitel) »

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