14. Juni 2014

Brasilien 2014: 25 Spieltage. 25 Kulturtipps.

Das Monument (3/25)

Begleitend zur WM präsentiert TheTitle zu jedem Spieltag einen brasilianischen Kulturtipp. Heute: das Teatro Amazonas.

von Rudolf Amstutz
Stand früher fast allein inmitten des Urwalds und ist heute Teil einer Millionenstadt: das Teatro Amazonas. Foto: Pontanegra

Mensch und Tier haben etwas gemeinsam: sie markieren beide ihr Revier. In Lateinamerika lässt sich dies seit Jahrhunderten bestens beobachten. So errichteten die spanischen und portugiesischen Eroberer in den entlegensten Winkeln gigantische Gotteshäuser, um den «ungläubigen» Indios zu zeigen, wer nun der Herr im Hause ist. Ähnliches tut auch die FIFA, die zur WM in Manaus die Arena da Amazônia bauen liess. 45’000 Fussballgläubige haben darin Platz. Zum Vergleich: der lokale Drittligaverein zieht pro Spiel durchschnittlich 1’000 Leute an. Und die freuen sich bestimmt auf den Echoeffekt, wenn sie nach der WM in dieser Arena verloren gehen dürfen.

Manaus, die Stadt im Dschungel, gerade dort wo der Rio Negro in den Amazonas mündet, ist mit dem Auto nicht zu erreichen, sondern ausschliesslich mit dem Flugzeug oder zu Wasser. Auf dem Amazonas sind es 1’700 km bis zum Atlantik bei Belém. Aber solche Hindernisse hinderte die Stadtväter und ihre Nachkommenschaft nicht, immer wieder neue Markierungen zu setzen. Das imposanteste Monument wurde im 19. Jahrhundert von den Kautschukbaronen in Auftrag gegeben: das Teatro Amazonas. Das Opernhaus, im Stil der italienischen Renaissance gehalten, wurde 1896 eingeweiht und sollte zum Zentrum abendländischer Hochkultur mitten im Dschungel werden. Werner Herzog liess sich von diesem prunkvollen Bau für seinen Film «Fitzcarraldo» inspirieren und tatsächlich sieht man zu Beginn des Films Klaus Kinski in der Oper sitzen und der Stimme Enrico Carusos lauschen, obwohl nirgendwo verbrieft ist, dass der italienische Opernstar tatsächlich einmal in Manaus auf der Bühne stand.

Wie es sich für eine richtige Reviermarkierung gehört, stammten alle Materialien, die für den Bau des Teatro Amazonas verwendet wurden, nicht aus Brasilien. Die Kacheln der Kuppel kamen aus Deutschland, die Pflastersteine aus Portugal. Diese Arroganz nahm der Regenwald nicht hin und setzte der Oper mit seinem feuchten Klima mächtig zu. Zudem erlitt der Kautschukboom durch einen Kurssturz eine empfindliche Baisse. Beides führte dazu, dass 1907 bereits Schluss war mit Veranstaltungen für die feine Gesellschaft. Zweimal versuchte man das Theater im 20. Jahrhundert zu renovieren, allerdings mit mässigem Erfolg. 165 Regentage im Jahr und hungrige Termiten liessen den Bau nicht zur Ruhe kommen. Erst am 17. März 1990 wurde das 700-plätzige Teatro Amazonas mit Auftritten von Plácido Domingo und Marcia Haydée wiedereröffnet.

Trotz seiner Abgeschiedenheit vom Rest der Zivilisation boomt Manaus. Hatte die Stadt 1960 noch 350’000 Einwohner, zählt sie heute das Vielfache, nämlich fast 2 Millionen. Seit 1996 findet mit dem «Festival de Manaus» in der Oper und auf Aussenplätzen das grösste Musikfestival Lateinamerikas statt. Der verstorbene deutsche Regisseur Christoph Schlingensief inszenierte im Rahmen dieses Anlasses 2007 Richard Wagners «Der fliegende Holländer» im Teatro Amazonas.

Teatro Amazonas – Webseite »

 

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