21. September 2011

Interview mit Duffy

«Ich bin keine Philosophin»

Die junge Waliserin über ihr zweites Album «Endlessly» und die völlige Abkehr vom «Rockferry»-Erfolgskonzept. Sie hätte es sich einfach machen können und «Rockferry», ihr Erstlingsalbum von 2008, kopieren können. Doch Duffy, die junge Sängerin aus Wales, hält es nicht an einem Ort. Mit Albert Hammond und The Roots sind auf dem neuen Album «Endlessly» zwei neue, überraschende Komponenten hinzugekommen. Im Gespräch mit TheTitle erklärt Duffy ihr Verhältnis zum künstlerischen Selbstvertrauen, ihre Liebe zu alten Songs und weshalb das Gehirn in der Musik nichts zu suchen hat.

Interview: Hanspeter Künzler
Duffy: «Ich existiere an einem Ort, der nicht in Zahlen quantifizierbar ist.» Foto: © Lachlan Bailey

Rockferry gehörte zu den Alben, die das Jahr 2008 definierten. Die songschreibende Sängerin Duffy aus dem Norden von Wales war noch jung, aber sie hatte für ihren (musikalischen) Abenteuergeist schon etliches Lehrgeld bezahlt. Jetzt schneiderte ihr der als Produzent waltende einstige Suede-Gitarrist Bernhard Butler einen Sound auf den Leib, der perfekt zu ihrer kindsfraulichen Stimme, aber auch in die von Amy Winehouse heraufbeschworene Renaissance von Sixties-Girl-Pop passte. Das resultierende Album bot eine süffige Mischung von jazzig angehauchtem Retro-Pop, der vom Geist her zwischen Dusty Springfield und Lulu angesiedelt war, während das grandios melancholische Titelstück die Tiefen eines stillen Waldsees erahnen liess. Mehr als sechs Millionen Exemplare wurden von dem Album verkauft und es brachte Duffy einen Grammy ein. Statt nun aber für ihr zweites Album Endlessly nochmal das gleiche Erfolgsrezept anzuwenden, hat sie alles – Manager, Produzent, Ko-Autoren, Aufnahmestudio – ausgewechselt. Als Mitkomponist und Produzent waltet diesmal der Veteran Albert Hammond. Aus seiner Feder stammen allerhand Tina Turner-Hits, aber auch Little Arrows von Leapy Lee und The Air That I Breathe, das in der Interpretation der Hollies ein Evergreen wurde.

Alles scheint anders geworden zu sein in ihrem Musikleben. Was ist geschehen?

Duffy: Ich weiss es nicht. So ist das Leben halt. Manchmal fühle ich mich wie ein Blatt, das vom Wind dahin und dorthin getragen wird, bis ich irgendwo lande, so wie es das Schicksal bestimmt.

Es steckte also kein rationaler Entschluss oder gar eine Strategie dahinter?

Mir wurde rückblickend bewusst, dass die wichtigsten Schritte in meinem Leben nie von Intelligenz oder Überlegung bestimmt wurden. Albert Hammond sah mich im Fernsehen und kontaktierte mich. Er wollte mit mir arbeiten. Ich muss gestehen, dass ich selber wenig Einfluss genommen habe auf die Dinge, die ich in letzter Zeit erlebt habe. Eigenartig, nicht wahr? Nun, Sie sitzen keiner intelligenten Frau gegenüber. Sie sitzen einer Frau gegenüber, welche die beste Möglichkeit ergreift, die sich ihr präsentiert.

Sie würden darin Ihre grösste Stärke sehen – dass Sie es verstehen, eine Chance zu ergreifen?

Ich glaube schon. Das Beste aus dem machen, was man hat, und jeden Tag nehmen, so wie er kommt. Ich denke sowieso, dass das Gehirn manchmal ein überflüssiger Muskel ist – besonders in der Musik. Was kann das Gehirn in der Musik tun? Ich bin keine grosse Mathematikerin, keine Philosophin oder Theoretikerin. Ich bin eine Sängerin. Alles kommt vom Herzen. Ich existiere an einem Ort, der nicht in Zahlen quantifizierbar ist. Wie lebe ich also mein Leben? Ich ergreife meine Möglichkeiten und umgebe mich mit Menschen, die mir gefallen, und so scheine ich vom einen Ort zum nächsten zu gelangen.

Ihr zweites Album ist nun also unter ganz anderen Umständen entstanden als das erste. Hat sich das  auf die Lieder ausgewirkt, die so entstanden sind? 

Es ist richtig, hier von «Umständen» zu sprechen. Alles war irgendwie durch die Umstände bedingt. Albert sah mich in einer TV-Show, und schon war ich in Los Angeles und redete mit ihm. Wir sprachen über ein Lied, das er Don’t Forsake Me genannt hatte, und da klickte es bei mir. Ich wusste, dass dies der Song war, den ich schreiben musste. Die Umstände haben dann weiter ergeben, dass ich ihn und seine Frau daheim in Spanien besuchte, und wir zehn Tage lang Songs schrieben, eine Menge Songs. Und ehe ich mich’s versah, hatten wir mehr als genug Songs für ein ganzes Album. Und Albert sagte dann: «So, geh jetzt und spiel das Album ein.» Das waren die Umstände. Waren sie anders als jene zuvor? Ja, ich fühlte mich frei. Ich genoss die gemeinsame Arbeit.

Spürten Sie keinen Druck, dass man von Ihnen wiederum einen Riesenbestseller erwartete?

Wir dürfen usn als Menschen einem solchen Druck nicht aussetzen. Wenn ich mir über die Möglichkeit eines Misslingens Gedanken machte, würde ich am Morgen nie aus dem Bett steigen. Wenn ich etwas unternehme, tue ich es mit aller Kraft. Es war aufregend, endlich neue Songs singen zu können. Ich war 21 Jahre alt, als die Lieder von Rockferry entstanden. Jetzt bin ich 26 Jahre alt. Ich glaube, heute habe ich mehr zu bieten.

Ihre neue Platte wirkt irgendwie leichter und luftiger als das erste Album.

#-#IMG2#-# Albert war sehr darauf bedacht, ein Album zu machen, das frisch klingt. Er scheint einer meiner grössten Fans zu sein. Er sprach ständig von meiner Stimme. Er nimmt mich vor allem als ein Star wahr und weniger als eine Person. So seltsam das klingt, aber genau das brauchte ich. Ich benötigte jemanden, der an mich als Star glaubte. Ich brauchte jemanden, der die Arme um mich legte und mir sagen konnte, wo meine Stärken liegen, unb der mich daran erinnerte, warum ich hier bin. Albert sagte immer wieder zu mir: «Sing einfach drauflos.» Vielleicht ist die Frische dadurch zu erklären, dass ich mich bei der gemeinsamen Arbeit mit ihm einfach wohlfühlte. In ihm habe ich eine gute Seele gefunden.

 

Reichen denn all die Brit-Awards und Grammys, die Sie gewonnen haben, nicht aus, um Ihnen genügend Selbstvertrauen zu geben?

Ich weiss nicht. Selbstvertrauen sollte sich mit zunehmendem Alter und zunehmender Erfahrung einstellen. Ich stehe ja noch am Anfang. Ich muss mich erst noch beweisen. Eine Zeitlang flog mir tatsächlich so viel Bewunderung zu, dass ich davon überwältigt wurde. Ich glaubte nicht, dass ich dies wirklich verdient hatte. Ich will mir den Erfolg und den Respekt über viele Jahre hinweg verdienen. Und unterwegs muss ich Menschen begegnen, die an mich glauben. Ich will, dass meine Lieder ein Teil im Leben der Menschen werden. Dass sie sie im Auto spielen und an den Parties ihrer Kinder.

Welche Lieder liefen denn an den Parties, als Sie Teenager waren?

Können Sie sich an das Lied Johnny Reggae Reggae erinnern? Sowas lief bei uns. Ich muss zugeben, dass es nicht allzu viele coole Dinge gab in unserem Dorf. Aber ich habe viel Radio gehört und dazu taggeträumt. Smokey Robinson, Marvin Gaye, Scott Walker, die Hollies, Patsy Kline – sie waren mir wie Freunde. Sie gaben mir das Gefühl, im Geiste reisen zu können.

In der Liste von Musikern, die auf dem Album auftreten, erscheint auch die Hip-Hop-Band The Roots. Wie kam das?

Ich bin ein riesiger Fan von The Roots. Questlove ist an seinem Schlagzeug eine unglaubliche Persönlichkeit. Ich bin stolz darauf, dass er mitgemacht hat.

Er ist ein in der Tat fantastischer Schlagzeuger, manchmal bringt er Dinge hin, die sonst nur Maschinen können.

Er trommelt sehr maschinenhaft, dadurch klingen die Beats zeitgenössisch, aber er bringt auch eine ungewöhnliche Dynamik hinein. Es ist, als ob sein Schlagzeug eine Stimme wäre. Wenn ich alte Platten von Marvin Gaye oder den Supremes oder auch den Beatles höre, hatte ich immer das Gefühl, dass die Drums wie eine weitere Harmoniestimme wirkten. Sowas wollte ich auch.

Haben Ihnen die Roots die Stadt gezeigt?

Wir waren bloss zehn Tage zusammen. Ich würde ja liebend gern Geschichten erzählen können, aber wir haben nur gearbeitet. Questlove wollte mit mir eine Show am Broadway besuchen, weil ich noch nie am Broadway war, aber auch das hat nicht geklappt. Aber jeden Tag ist er im Studio mit einer Schachtel voll frischen Doughnuts erschienen. Und er kaufte mir ein T-Shirt, wo statt «I (heart) New York» drauf stand: «I (heart) cupcakes».

Sicher sind Sie unterdessen vielen von den Sängern und Sängerinnen begegnet, denen Sie einst am Radio nachgeträumt haben. Welche solche Begegnung war die schönste?

Spontant fällt mir die Begegnung mit Stevie Nicks ein. Sie ist ein echtes Kraftpaket. Sie kam zu mir und sagte: «Kid, you are amazing.» Ich sagte: «Wow, vielen Dank. Als ich ein kleines Mädchen war, habe ich immer deine Musik gehört. Du bist ein grosser Einfluss für mich.» Daraufhin sagte sie: «Das habe ich bemerkt.»

Einher mit einem Album kommen auch endlose Tourneen. Wie stellen Sie sich darauf ein, monatelang aus dem Koffer leben zu müssen?

Ich liebe es, aus dem Koffer zu leben. Ich bin mein ganzes Leben lang ein Wanderer gewesen. Es ist meine natürliche Lebeweise. Wenn ich zu lange am selben Ort bleibe, wird es mir langweilig. Ausserdem gilt es immer, daran zu denken, dass sich alles um die Musik dreht. Es ist ein erhebendes Gefühl, Lieder zu singen und die Menschen darauf reagieren zu sehen. 

#-#IMG3#-##-#SMALL#-#Duffy. Endlessly (Universal)

 

Duffy – Official Website »#-#SMALL#-#

 

 

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