27. M�rz 2007

The Oil Crash – Interview mit Basil Gelpke

«Der Mensch funktioniert übers Portemonnaie»

Er wolle nicht zu Konvertierten predigen, sagt Basil Gelpke. Ein Gespräch mit dem Schweizer Regisseur des Dokumentarfilms «The Oil Crash», der 2007 in den USA auch schon als «best independent horror movie of the year» bezeichnet worden ist.

Interview: Rudolf Amstutz
Hässliche Narben: Verlassenes Ölfeld in Aserbeidschan. Foto: © www.oilcrashmovie.com

(Dieser Beitrag erschien erstmals in TheTitle Nr. 3, 27.3.2007)

 

Wann und wieso haben Sie sich dafür entschieden, dem Thema Erdöl einen Film zu widmen?

Basil Gelpke: Während meiner Gymnasialzeit kam ein Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums heraus. Seitdem wurde darüber kaum mehr ein Wort verloren. Dann im Jahr 2003 habe ich ein Papier von einer Bank gelesen, in der der Versuch unternommen wurde, zu eruieren wieviel Erdölvorräte noch vorhanden seien. Da stand, man könne davon ausgehen, dass das Erdöl noch für 40 Jahre reichen würde. Wenn man Kinder hat, dann realisiert man relativ rasch, dass vier Jahrzehnte keine lange Zeit mehr sind. Und wenn man noch bedenkt, wie unser Alltag vom Erdöl abhängig ist, dann ist das eine erschreckende Prognose. Ich begann dann mit den Recherchen, auch wenn sich damals noch keiner für das Thema zu interessieren schien – das Benzin war nicht sehr teuer und dass sich dies mal ändern könnte, schien in der Vorstellungskraft der Leute nicht vorhanden zu sein. Im Laufe meiner Recherchen stiess ich dann eigentlich auf das zentrale Thema: dass wir kurz vor dem Erreichen des Fördermaximums stehen.

Wurde Ihnen das Ausmass der Zusammenhänge, die nun im Film so einleuchtend offengelegt werden, erst während der Arbeit im Film klar?

Ja. Jeder, der sich mit dem Thema Peak Oil auseinandersetzt und sich im Internet etwas umsieht, wird irgendwann erschrecken über die Grösse des Problems. Und setzt man das Ganze noch in eine historische Perspektive und erkennt, dass die Nutzung von Öl die industrielle Revolution und unser wirtschaftliches Wachstum erst möglich gemacht hat und wie diese auch mit dem explosionsartigen Bevölkerungswachstum zusammenhängt, dann kann man letztlich, was die Prognosen betrifft, nur hoffen, dass man falsch liegt und dass alles nur halb so schlimm sein wird. Angesichts der Tatsachen ein schwacher Trost.

Unter den auftretenden Personen im Film hat es einen republikanischen Abgeordneten und einen Berater von Präsident George W. Bush – beiden scheint die Bedrohung klar zu sein. Haben Sie diese zwei Personen ausgewählt, weil ihre Haltung scheinbar kollidiert mit ihrer Positionierung?

Es war insofern eine bewusste Wahl, weil wir uns mit diesem Film nicht explizit an Leute wenden wollen, die bereits ein ökologisches Bewusstsein haben. Wir wollten nicht zu den Konvertierten predigen, deshalb war es uns wichtig, Leute aus Industrie und Politik – also aus Lagern, die der allgemeinen Wahrnehmung nach eine unkritischere Haltung zum Thema haben – mit im Film zu haben. Damit denke ich, hat der Film auch eine höhere Glaubwürdigkeit.

Sie sagen, dass Sie nicht zu den Konvertierten predigen wollen. Doch wie kommt man an die Anderen heran?

In Nordamerika ist Peak Oil eine der am schnellsten wachsenden Bürgerinitiativen. Ich gehe davon aus, dass vor allem nach Erscheinen der DVD Anlässe im Lande stattfinden werden. Von zahlreichen Schulen und Universitäten gibt es bereits Anfragen.

Und bei uns?

Da läuft die übliche Auswertungskette. Zuerst Kino, dann DVD und als letztes die Ausstrahlung im Fernsehen. Und auch hier in der Schweiz wird er in Schulen gezeigt werden. Zudem haben auch bereits Landkinos und diverse Gruppierungen angefragt, die an einer Vorführung interessiert sind. Und in England haben wir in Zusammenarbeit mit dem British Film Institute eine Tournee gestartet. Aber man muss sich schon im Klaren sein: wenn die Leute ins Kino gehen, dann wollen sie unterhalten werden. Als aufklärender Dokumentarfilm wäre man da nicht nur auf einen grossen Verleiher angewiesen, sondern auch auf Berühmtheiten – so wie An Inconvenient Truth mit Al Gore.

Aber gerade vom Erfolg von Davis Guggenheims An Inconvenient Truth, der ja auch mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, kann wiederum The Oil Crash profitieren.

Absolut.

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Der Film zeigt wenig Zuversicht, dass in naher Zukunft ein Politiker auf der Bühne erscheinen könnte, der die Menschen über das drohende Unheil aufklärt. Es wird gar erwähnt, dass im alten Griechenland Überbringer von schlechten Nachrichten umgebracht wurden.

Der Mensch funktioniert über das Portemonnaie. Ich denke, Änderungen werden über eine veränderte Preispolitik geschehen. Mittelfristig werden wir wesentlich mehr für Energie zu zahlen haben. Und daraus ergibt sich dann der Anreiz, effizienter damit umzugehen.

Für Sie ist es also eher unwahrscheinlich, dass da plötzlich eine Persönlichkeit an die Öffentlichkeit tritt, die die Menschen ideologisch umdenken lassen könnte. Ich denke da gerade an die USA, die ja der mit Abstand grösste Erdölverbraucher sind.

Die USA waren schon immer imstande für Überraschungen zu sorgen. Es könnte durchaus sein, dass ein politischer und kultureller Wandel stattfindet – das ist eine Möglichkeit, die man nicht ausschliessen kann. Aber gerade in den USA ist die Verfügbarkeit von billiger Energie derart selbstverständlich und der Alltag energie-intensiv, dass es für eine Änderung der Haltung doch eine gewisse Zeit brauchen wird. Es wird also auch da über eine veränderte Preispolitik geschehen müssen. Der letzte Benzinpreisanstieg in den USA hat gezeigt, dass damit bereits eine Abkehr von grossen Autos und ein Erfolg der hybriden Modelle verbunden sind.

Man stellt sich natürlich unweigerlich die Frage, wie würde die Situation in den USA heute aussehen, wäre denn Al Gore Präsident geworden.

Klar stellt sich diese Frage. Aber weil ich in den USA nicht wählen darf, bin ich immer etwas vorsichtig, die Situation dort zu kommentieren...

Um es diplomatisch zu sagen: er wäre sicherlich nicht die schlechtere Variante gewesen.

(lächelt) Diplomatisch könnte man sagen: die jetzige Administration in Washington hat bis jetzt eher unglücklich agiert.

Was tun Sie denn persönlich in Ihrem Alltag, um den Energieverbrauch zu drosseln? Ich nehme an, Sie haben keinen Hummer in der Garage.

Nein, das habe ich nicht. Aber ich gebe zu, ich fahre ganz gerne mit dem Auto. Ich bin also kein klassischer Grüner. Aber ich habe mein Haus isolieren lassen und mir eine neue Heizung gekauft. Das kostet alles Geld, das man zuerst haben muss. Und aus beruflichen Gründen fliege ich relativ häufig – dies immer mit einem etwas schlechten Gewissen. Natürlich kann jeder einzelne mit seinem Lebensstil zur Verminderung beitragen, aber letztlich ist es ein globales Problem. Letzten November war ich in China und dort haben 300 Millionen Menschen einen Führerschein, aber noch kein Auto. Das sind dann Grössenordnungen, die man verdauen muss. Da sind Veränderungen in der Schweiz zwar löblich und können vielleicht auch Vorbildfunktion sein, aber letztlich sind es Luxusdiskussionen, die wir da führen. Kürzlich stand ich nachts auf einem Hügel in Indonesien und sehe sechs grosse Feuer, mit denen man den Regenwald wegbrennt. Da erkennt man auf erschreckende Weise, wie fundamental das Problem ist. Es gibt dermassen viele Menschen auf diesem Planeten und alle streben sie danach ein gutes Leben führen zu können.

Im Film wird deutlich gemacht, dass es vor der industriellen Revolution gerade mal eineinhalb Milliarden Menschen hatte.

Ja, die grosse Frage ist: für wieviele Menschen reichen die Ressourcen. Heute sind es 6,4 Milliarden – gemäss UNO werden es 2050 neun Milliarden sein. Und das gibt dann angesichts des Versiegens der Erdölquellen schon zu denken.

Irgendwann wird auch der Flugverkehr nicht mehr aufrecht zu erhalten sein.

Wir werden noch lange fliegen können. Nur werden es sich nicht mehr viele leisten können. Wahrscheinlich wird man sich via Internet und Webcam andere Orte anschauen. Es gibt ja kein verbrieftes Menschenrecht, dass wir zweimal pro Jahr in den Urlaub fliegen dürfen. Dann macht man vielleicht wieder im eigenen Land Ferien und ist vielleicht gar nicht mal so unglücklich darüber.

 

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The Oil Crash (CH 2007). Regie: Basil Gelpke.

auf DVD erhältlich.

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